Die "Rabine-Methode für funktionales Stimmtraining und funktionale Stimmpädadogik" wurde nach über 40jähriger interdisziplinärer Forschungsarbeit von dem Amerikaner Prof. Eugen Rabine entwickelt.
In der Person Eugen Rabines trafen sich eine große Liebe zur menschlichen Stimme und eine unbändige Neugier auf die eigentliche Funktion der Stimme. Sein tiefer Wunsch war es, wirklich zu verstehen, wie die menschliche Stimme genau funktioniert. Nach und nach entstand so ein tiefgreifendes Wissen über das hochkomplexe Phänomen "Stimme", das in der Rabine-Methode die Verbindung zwischen Theorie und Praxis, Wissen und Pädagogik findet. Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich diesen besonderen Menschen kennenlernen und viele Jahre bei ihm und seinem Team lernen durfte.
Zunächst einmal basiert das funktionale Stimmtraining auf einem genauen wissenschaftlich-anatomisch begründeten Wissen über alle beim Singen relevanten Zusammenhänge. Das beinhaltet ein präzises Wissen um die Anatomie, Neurologie, Biologie, Physiologie, Akustik und Psychosomatik.
Auf Basis dieses Wissens entwickelte Prof. Rabine eine komplette Methode und Pädagogik, um dieses Wissen bzw. vielmehr die praktischen Auswirkungen sowohl Gesangslehrern wie auch -schülern erfahrbar und erlebbar zu machen. Denn nur allein davon, dass Sie wissen, dass Ihre äußere Zwischenrippenmuskulatur beim Singen dominanter als die innere sein sollte, wissen Sie noch lange nicht, wie es sich anfühlt, wenn dies tatsächlich der Fall ist.
Das funktionale Stimmtraining unterscheidet sich daher durch die wissenschaftliche Fundierung und die Verzahnung mit einer Methodik und Pädagogik schon im Grundansatz elementar von vielen anderen Gesangsrichtungen.
Der Lehrer leitet durch seine gezielten Fragen den Eigenwahrnehmungsprozess des Schülers bei verschiedenen Körper-, Atem- und Stimmübungen. Der Schüler entwickelt so allmählich ein immer präziseres Gefühl für die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Körper, Bewegung, Atmung, Stimmfunktion, Gehör, Psyche und Emotion.
Unsere (meist unbewussten) Gewohnheiten bezogen auf die o.a. Aspekte beeinflussen und bilden unseren individuellen Stimmklang. Bestimmte Gewohnheiten und Bewegungen sind dabei von der funktional-anatomischen Sichtweise her günstiger als andere. Ungünstige Bewegungen führen z.B. zu einem Engegefühl im Hals, fehlender Höhe /Tiefe/Registerkoordinierung, zu einem Stimmklang, der gepresst, geknödelt, gehaucht, gebrüllt, schrill, piepsig etc. ist, zu Intonationsschwächen, Heiserkeit, "Stimmmüdigkeit", Knötchen etc. Günstige Gewohnheiten führen zu einem ausgewogenen, harmonischen, kraftvollen, weichen, tragfähigen und frequenzreichen Stimmklang mit einem offenen, freien, anstrengungslosen und ermüdungsfreiem Sing- und Sprechgefühl.
Indem wir unsere Gewohnheiten erkennen, wahrnehmen und modifizieren lernen, können wir unseren Stimmklang positiv beeinflussen.
Nachdem die Eigenwahrnehmung und das Erkennen der eigenen Gewohnheiten im Vordergrund steht, findet kein "der Lehrer singt richtig vor, der Schüler versucht, das Vorgesungene richtig zu imitieren" statt.
Das funktionale Stimmtraining begreift den Unterrichtsprozess als Dialog und Kommunikation zwischen zwei gleichwertigen Individuen. Es gibt kein "der Lehrer weiß und kann alles besser und macht deswegen alles richtig vor", sondern vielmehr ein interessiertes, neugieriges gemeinsames Herausfinden von Gewohnheiten und neuen Möglichkeiten.
Insofern gibt es auch keine "richtige" oder "falsche" Art zu Singen, sondern höchstens Gewohnheiten, die das Singen bequemer oder beschwerlicher, freier oder anstrengender, einfacher oder mühevoller machen. Oder Gewohnheiten, die für einen bestimmten Stil und eine bestimmte Situation eher geeignet sind, als für andere. Schließlich klingen Sänger im Chanson, Heavy Metal, Jazz oder in der Klassik nicht gleich. Und das ist auch gut so, finde ich.
Die Entscheidung, sich für die eine oder andere Gewohnheit zu entscheiden, liegt ganz beim Schüler. Als Lehrer kann ich nur dazu beitragen, dass der Schüler die Unterschiede zwischen mehreren Versionen erleben kann.
Ja, gibt es. Prof Rabine brachte vor vielen Jahren erste Ideen von Cornelius Reid aus Amerika mit nach Deutschland. In einer Forschungsgruppe der TU Darmstadt um Prof. Wolfgang Rohmert arbeiteten verschiedene Personen an der wissenschaftlichen Entschlüsselung des Phänomens Stimme. Jeder dieser beteiligten Personen setzte damals schon eigene Akzente bei der "funktionalen Methode". Durch Schüler und Mitarbeiter erhielten die verschiedenen Strömungen zusätzlich neue Impulse und Richtungen. Von einigen Personen wurde der Ansatz dann später auch noch in Richtung Logopädie modifiziert bzw. weiterentwickelt.
Trotz dieser Unterschiede bin ich der Meinung, dass die verschiedenen funktionalen Methoden doch deutlich mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen aufweisen. Zumindest wenn man eine "funktionale" Methode mit so manch "normaler" Gesangstechnik vergleicht.